Du-Lac-Verlag

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Vorauseilender Gehorsam

Eines Tages im richtig schönen Sommer des Jahres 1996 im (gerade noch so) beschaulichen Kassel, der kleinsten Zweifach-Großstadt Deutschlands, kam ein Industriedesign-Student in mein gerade erst eröffnetes klitzekleine Geschäft „Der Druckladen“ in der Kohlenstraße 32 (übrigens begann zuvor in diesen Räumen die Gründung von SMA Solar Technology AG, heute ein Konzern, gelistet im TecDAX), es war Andreas Mühlenbehrend, welcher nun Professor ist für Industriedesign an der Bauhaus-Universität Weimar.

An diesem Morgen ließ er einen Entwurf auf meinem DIN-A0-Inkjet-Drucker (längst Schrott) anfertigen, von welchem er mehr als ersichtlich hellauf begeistert war. Auch ich war von dem Design sehr beeindruckt und sicher, dass er Erfolg damit haben würde. Als ich ihm am nächsten Tag den nun getrockneten und immerhin DIN A1 großen Farbausdruck zurechtschnitt und einrollte, blickte er etwas betrübt drein und ich fragte ihn teilnahmsvoll was ihm denn fehle.  

„Weil ich der Jury diesen tollen Entwurf nun präsentiere, obwohl ich bereits sicher bin, dass er abgelehnt werden wird.“

„Wenn Du es schon weißt, warum machst es denn trotzdem?“, fragte ich reichlich perplex.

„Weil ich mich nicht selbst zensieren will.“

„Wie meinst Du denn das nun schon wieder?“

„Weil dies ein Akt von vorauseilendem Gehorsam wäre.“

„Vorauseilender Gehorsam? Noch nie gehört. Was ist den das nun schon wieder?“

So standen wir also vor dem an eine weiße Wand gehefteten Plakat, welches immer noch eine fantastische Wirkung auf mich entfaltete, und er erklärte mir den ‚vorauseilenden Gehorsam’ wie ein Dozent dem Student: „Wenn also ein Kunde etwas Bestimmtes bei dir bestellt und du dann eine ganz tolle Idee hast, von welcher du aber weißt, dass es nicht das ist, was der Kunde von dir erwartet. Dann hast du zwei Möglichkeiten: Entweder verwirfst du diese Idee von vornherein oder du präsentierst sie trotzdem, auch auf die Gefahr hin, den Auftrag deswegen zu verlieren. Die Angst vor dem fast sicheren Verlust ist in der Regel größer als der Mut zum Wagnis eines mehr als fraglichen Erfolges. Daher neigst du zur Selbstzensur und im Sinne deines Kunden zwingst du dich zum Gehorsam, ohne das er diesen vor dir überhaupt eingefordert hat.“

Außerdem wird der ‚vorauseilende Gehorsam‘ auch durch den Kunden verstärkt durch einen unbewussten Mechanismus einer dann tatsächlich erfolgenden Gehorsamseinforderung: „Sie hatten doch einen klar definierten Auftrag! Wenn Sie sich nicht an unsere Vorgaben halten können, dann werden wir nicht weiter mit Ihnen zusammenarbeiten und so weiter …“

Es gibt aber Mut machende Ausnahmen wie 2001 den ‚Wackel-Elvis‘ der zum Hauptdarsteller der Audi-Werbung für das erste stufenlose Schaltgetriebe Multitronic wurde – gar nicht im Sinne der Verantwortlichen bei Audi. Aber man winkte den Spot gnädig durch, obwohl man an den Erfolg nicht so recht glauben konnte.

Anfang des Jahres 2020 hatte ich nun mein Deja vu …

Endlich hatte ich meine ‚Krimimär‘ fertig für den Lektor und ihm im vorauseilenden Ungehorsam die Abkürzungen in den gesprochenen Texten ausgeschrieben wie zum Beispiel ‚eSeS‘ statt SS (oder haben Sie schon mal jemanden gehört, die diese beiden ‚S‘-Konsonanten ohne die ‚e’-Vokale zischt?). Ich war sicher, dass mein Kollege, der Schriftsteller ‚Miguel de Torres‘ (Werner Schubert) daran Anstoß nehmen würde. Er riet mir auch dringend davon ab, es dabei zu belassen, denn jeder Rezensent würde mich dafür in die Pfanne hauen. Aber ich wollte ungehorsam bleiben und hatte etwas Mut, die ausgesprochenen Abkürzungen unverändert drucken zu lassen. ‚Die klare Sonne bringt's doch an den Tag‘ erschien also und ich sandte ein Rezensionsexemplar an die Kulturredaktion der HNA in Kassel (Hessisch Niedersächsische Allgemeine). 

„Es funktioniert! Es funktioniert!“, würde ‚Doc‘ Brown voller Begeisterung schreien, wenn er die daraufhin erfolgte Rezension von Mark-Christian von Busse (Leiter der Kulturredaktion – auf jeden Fall aber ganz herzlichen Dank für den wohlgesonnenen Text) lesen würde.

Jawohl, auch die Gehorsamseinforderung funktioniert, denn Herrn von Busse war es letztendlich einen langen Satz wert, mich ‚wieder auf Linie zu bringen‘ – ‚Quod erat demonstrandum‘! Und es hat mich womöglich bei der Bewertung ein Sternchen gekostet, so wie im Eislaufen bei den Punktrichtern, welche einen ‚Wackler‘ bei einer vorgegebenen Figur mit Punktabzügen in der Haltungsnote ‚bestrafen’.

„S äß so wies äß, nidd alles is gud unn nidd alles is Schäß", sagt dann der Kasselaner und belässt es dabei … 


E-Books, die's drauf haben:

“Neulich in der Galaktischen Union” von Miguel de Torres

10. März 2015 von Uwe Post

Neulich erschien im Du-Lac-Verlag ein E-Book, das es in sich hat: Denn nicht allzu häufig finden sich in dieser Konstellation bissiger Humor und souveräne Schreibe zusammen, um einen von vorn bis hinten unterhaltsamen SF-Roman zu produzieren.

Dem Roman “Neulich in der Galaktischen Union” von Miguel de Torres – einem Deutschen, der in Thailand lebt – liegt ein reales Ereignis zugrunde: Vor ein paar Jahren erhielt jemand in Bayern von seinem freundlichen Finanzamt eine (unberechtigte) Forderung über ein paar Milliarden Euro. Zwar nahm das Finanzamt später von der Forderung Abstand, aber ein Steuerberater wird nun einmal prozentual vom fraglichen Geldbetrag bezahlt und stellte eiskalt eine Rechnung über einen siebenstelligen Betrag aus. Dasselbe passiert den bemitleidenswerten Protagonisten in de Torres Roman. Allerdings auf galaktischer Ebene. Ihr Raumschiff wird prompt gepfändet, sie müssen fliehen, landen schließlich in der “Galaktischen Union”, einem Zerrbild unserer EU mitsamt Reality Shows und schwachsinnigem Aktienmarkt. Der Autor reiht mit hohem Tempo eine überraschende Wendung an die andere – so entsteht eine unterhaltsame Satire auf so ziemlich alle Missstände, die dem Autor eingefallen sind. Das ist gleichzeitig der einzige Vorwurf, den man dem Buch machen kann: Wenn Seite für Seite Regierungsgutachten, die GEZ, Bürokratie, Aktienblasen und Busausflüge alle mit dem gleichen Mittel – der maßlosen Übertreibung – auf die Schippe genommen werden, geht das etwas auf Kosten des Storytellings. Man darf daher weder Figuren mit viel Tiefgang erwarten noch darf man sich über “zurechtgeschusterte” Zusammenhänge echauffieren. Macht aber nichts. Witzig ist das Buch allemal, man wird gut unterhalten.

“Neulich in der Galaktischen Union” gibt es überall, wo es E-Books gibt, und außerdem als gedrucktes Exemplar direkt beim Verlag.

Der Link zur Original-Website: https://deutsche-science-fiction.de/?p=3372

Die 2. Ausgabe des E-Books ist erschienen im vss-verlag von Hermann Schladt –Link siehe "LINKS"; das Buch ist nach wie vor beim Du-Lac-Verlag erhältlich.


 

E-Books, die's drauf haben:

“Quantum Suicide” von David Schwertgen
1. Oktober 2015 Von Uwe Post

Neulich erschien ein neues E-Book im Du-Lac-Verlag, der bereits mit einem anderen Werk positiv auffiel. Flugs gelesen, erwies sich auch “Quantum Suicide” von David Schwertgen als Treffer.
Der Autor, dessen Wurzeln unverkennbar im Medien-Milieu liegen, präsentiert ein mehr als ordentlich geschriebenes Erstlingswerk über einen Patienten, der sich in eine neuartige Art der psychologischen Betreuung begibt: Nämlich in eine Simulation. Eine Simulation jedoch, die mit neuen Parametern immer wieder neu gestartet werden kann – bis sie ein ums andere Mal crasht. Dabei geben sich die behandelnden Ärzte auffällig der Egozentrik hin, mit nicht immer erfreulichen Ergebnissen für den Patienten. Das ist amüsant und böse zugleich.
Hervorzuheben ist die temporeiche, farbige Sprache des kurzen, aber knackigen Romans. Am Ende bleibt der Leser ein bisschen ratlos zurück, wenn er eine aufschlussreiche Wendung erwartet hat. Stattdessen erklärt der Autor in einem Glossar und einem Nachwort einige Hintergründe zu den durchaus interessanten, teils realen psychologischen und neurologischen Theorien z. B. über den freien Willen.
Das Buch ist in der elektrischen Version für 4,99 bereits erhältlich, das Softcover soll auf dem BuCon Mitte Oktober erstmals verfügbar sein. Wir geben eine Leseempfehlung und sind gespannt, welche Perlen der modernen deutschen SF der rührige Verleger noch so ans Tageslicht fördern wird.

Der Link zur Original-Website: https://deutsche-science-fiction.de/?s=Quantum+Suicide
Sonderangebot: Das E-Book kostet zur Zeit 1,99 Euro!